Volksinitiative «Abschaffung der Massentierhaltung»

Die Initiative «Keine Massentierhaltung in der Schweiz» ist aus Sicht von Proviande unnötig. Bereits heute können die Konsumentinnen und Konsumenten durch den Kauf entsprechender Produkte die Produktion beeinflussen. Die Initiative bringt weder für das Tierwohl generell noch für die Konsumenten oder für die Bauernfamilien Vorteile.

Worum geht es

Eine Gruppe mit dem Namen Sentience Politics lancierte die nationale Volksinitiative zur Abschaffung der Massentierhaltung in der Schweiz. Sie beauftragt den Bund «die Würde des Tieres in der landwirtschaftlichen Tierhaltung» zu schützen.

Als Massentierhaltung bezeichnen die Initianten alle Formen der landwirtschaftlichen Tierhaltung, bei denen das Tierwohl aus Wirtschaftlichkeitsgründen systematisch verletzt wird. Für die Initianten ist dies «die Haltung von Tieren in grossen Gruppen auf engem Raum». In den vorgeschlagenen Übergangsbestimmungen geben sie als Richtwert den Standard von Bio Suisse an. Damit würden sich die Tierbestände massiv reduzieren. Die Bio-Suisse Anforderungen aus dem Jahr 2018 sehen mehr Platz pro Tier sowie die obligatorische Teilnahme am RAUS-Programm vor. Zudem gibt es je nach Tierart Einschränkungen bei der Herdengrösse.

Gegenargumente der Fleischbranche

Aus Sicht von Proviande ist die Initiative unnötig und in ihren Forderungen so nicht umsetzbar.

Die Importregelungen sind nicht kompatibel mit internationalen Handelsverträgen, welche die Schweiz unterzeichnet hat. Nach heutigem Recht wären sie nicht umsetzbar bzw. kontrollierbar.

Die geforderte Umsetzung der Bio Suisse-Anforderungen würde zu massiven Mehrkosten führen. Das aktuelle Preisniveau für Bio- und andere Labelprodukte könnte kaum gehalten werden und Wertschöpfung würde zunichte gemacht. Die Konsumentinnen und Konsumenten hätten bereits heute die Möglichkeit, mehr Bio-Fleisch zu kaufen. Im Bereich des Schweinefleisches zum Beispiel bewegt sich dieser Absatz um bescheidene 3%, bei Poulets um 2%.

Aus Sicht der nachgelagerten Stufe

Die Verordnung über den Tierschutz beim Schlachten (VTSchS) regelt bereits heute die Schlachtung mit dem Ziel, Stress und Leiden für die Tiere möglichst zu vermeiden. Die Verordnung wird regelmässig angepasst aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse. Die Totalrevision von 2020 präzisiert z.B. Vorgaben zur Betäubung und zur Beurteilung des Betäubungserfolges. Die Einhaltung der Vorschriften wird durch amtliche Kontrollen in Schlachtbetrieben sichergestellt.

Der Umgang des Menschen mit den Tieren vor deren Betäubung ist für das Wohlergehen des Tieres ein wichtiger Faktor: Deshalb ist eine Ausbildungsanforderung für Schlachthofpersonal eingeführt worden. Diese ist ausgerichtet auf die Betreuung der Schlachttiere sowie auf das Betäuben und Entbluten.

Kommen Tiere gestresst zur Schlachtung, leidet die Fleischqualität. Privatrechtliche Bestimmungen und Initiativen sorgen für eine optimale Betreuung der Tiere zwischen Stalltür und Schlachtung.

Bereits heute werden Schlachtbetriebe regelmässig kontrolliert. Vor allem in den grossen Schlachtanlagen, in denen über 90 Prozent der Tiere geschlachtet werden, sind in den vergangenen Kontrollen wenige Mängel aufgetaucht, dies zeigt die 2018 und 2019 durchgeführte Analyse «Tierschutz und Fleischkontrolle in Schlachtbetrieben» der Bundeseinheit für die Lebensmittelkette (BLK).

Der Schweizer Fleischfachverband (SFF), mit 300 bis 400 Schlachtbetrieben als Mitglieder, schliesst bei Verstössen gegen das Tierschutzgesetz Mitglieder aus. Für schwarze Schafe gilt Nulltoleranz.

Aus Sicht der Produzenten

Die Tierhaltung in der Schweiz ist klein strukturiert, bei Schweinen, Geflügel und Kälbern ist die Zahl der Tiere pro Betrieb gesetzlich begrenzt. Die Schweiz hat als einziges Land Höchstbestände für ihre Nutztiere festgelegt. Und die Vorgaben der Raumplanungsverordnung verunmöglichen sehr grosse Tierbestände.

Die Grösse des Tierbestandes sagt nichts über Tierwohl und Tierschutzbestimmungen aus. Ausschlaggebend ist der Platz pro Tier. Wie viel Platz, Stalleinrichtungen, Strukturen und Auslauf jedem einzelnen Tier zur Verfügung stehen, ist in der Tierschutzverordnung, den BTS-/RAUS-Vorschriften sowie den Bio- und Labelanforderungen festgelegt. In kleinen wie in grossen Beständen gelten die gleichen gesetzlichen Platzanforderungen.

Folgen der Initiative

Die Tierbestände müssten reduziert werden. Dürften weniger Tiere pro Betrieb gehalten werden, würde die einheimische Produktion von Geflügel- und Schweinefleisch markant verteuert. Nicht alle Konsumentinnen und Konsumenten sind jedoch bereit, mehr zu bezahlen, auch wenn sie dies in Strassenumfragen immer wieder erklären. Schon heute steht Fleisch aus Bio-Betrieben zur Verfügung, der Verkaufsanteil beim Bio-Schweinefleisch liegt im Detailhandel aber nur bei rund 3%. Gäbe es eine grössere Nachfrage, würden heute schon mehr Bauern nach Bio-Richtlinien produzieren.

Bei gleichbleibendem Konsum, kleinerem Angebot und hohen Preisen würden Konsumenten die Produkte günstig im Ausland/Internet beziehen. Die Wertschöpfung durch die einheimische Produktion und Verkauf ginge teilweise verloren. Das gefährdet Arbeitsplätze in der Schweiz.

Der einheimische Absatzmarkt käme zunehmend unter Druck, weil Importbedingungen nicht den Anforderungen der Schweizer Produktion entsprechen. Zwar sieht die Initiative vor, dass der Bund auch Vorschriften für den Import erlässt, die der Initiative Rechnung tragen. Es ist aber davon auszugehen, dass sich solche Vorgaben beim Import von Lebensmitteln nicht mit unseren Verpflichtungen bei der WTO und mit anderen Handelsverträgen vereinbaren lassen. Die Schweiz müsste alle Verträge künden.

Zur Versorgung der Bevölkerung ist die Schweiz auf umfangreiche Importe angewiesen. Diese würden sich bei einer Annahme der Initiative speziell beim Geflügelfleisch, Eiern und Schweinefleisch stark erhöhen.

Die Kaufabsichten und die Kauf­entscheide widersprechen sich.

Der Wunsch nach zusätzlichen Anforderungen wie Regionalität, Tierwohl, Nachhaltigkeit, naturnaher Produktion, etc. erhält an der Ladentheke nicht die nötige Priorität. Eine ausschlaggebende Rolle spielt hier häufig der Preis. So kann zum Beispiel nur 30 % des Schweinefleisches als Labelfleisch vermarktet werden, obwohl ca. 60 % der Schweine nach Labelanforderungen gehalten werden.

    Direkter Gegenentwurf des Bundesrates

    Proviande lehnt auch den direkten Gegenentwurf des Bundesrates ab. Aus Sicht von Proviande ist die Initiative unnötig und es besteht daher auch keine Notwendigkeit der Volksinitiative einen Gegenvorschlag gegenüberzustellen. Der Gegenvorschlag untergräbt auch die Forderungen nach mehr ökologischer Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft.

    Die Schweizer Nutztierhaltung hat im Vergleich mit jener in anderen Teilen der Welt kleine Dimensionen. Aber die Grösse des Tierbestandes allein sagt nichts aus über Tierschutz und Tierwohl. Seit der Einführung des ersten Tierschutzgesetzes vor 40 Jahren wurden in mehreren Etappen und mit der Unterstützung des Bundes durch die Einführung der Anreizprogramme BTS und RAUS in einmaliger und international nicht annähernd erreichter Weise Verbesserungen umgesetzt.

    Bemerkungen zum Bericht des Bundesrates

    Unser Land verfügt nicht über die Kapazitäten, um den aktuellen Brutto-Selbstversorgungsgrad bei der Versorgung mit Fleisch von derzeit rund 81% auf 100% anzuheben und unser Land wird demzufolge auch in Zukunft auf Fleischimporte angewiesen sein.

    Der Bundesrat hat keine Massnahmen für die Regelung der Importe vorgesehen, vermutlich, weil sich nebst handelsrechtlichen Gründen in Bezug auf die WTO, die bilateralen Abkommen mit der EU, aber auch weiteren Handelsabkommen in der Umsetzung gleicher Anforderungen an die Einfuhren zahlreiche praktische Fragen stellen würden.

    Für Proviande ist eine staatliche Regelung der Importe neben den handelsrechtlichen Gründen auch abzulehnen, weil eine Gleichschaltung der Anforderungen an die inländischen und importierten Produkte zur Folge hätte, dass sich die hiesige Land- und Ernährungswirtschaft nicht mehr ausreichend von den ausländischen Produkten abheben bzw. sich von diesen differenzieren könnte. Als wohl einziges Unterscheidungskriterium dürfte aus Sicht der Konsumentinnen und Konsumenten nebst der inländischen Herkunft vor allem das Preisniveau verbleiben, was dem Einkaufstourismus Vorschub leisten würde.

    Proviande ist der Meinung, dass Branchenstandards für Importe von Fleisch und Informationskampagnen zum Mehrwert der einheimischen Produktion die Konsumenten zur Wahl und Wertschätzung der Schweizer Produkte befähigt und einer Regelung der Importe auf Bundesebene vorzuziehen sind.

    Fakt ist, eine Extensivierung der landwirtschaftlichen Produktion hätte einen höheren Ressourcenbedarf (Land, Wasser usw.) und eine Mehrproduktion an Klimagasen zur Folge.

    Die im Gegenvorschlag des Bundesrates als Lösung vorgeschlagene generelle Anhebung des Minimalstandards bei allen Tierarten auf die Anforderungen des RAUS-Programmes lehnt Proviande ab. Sie ist weder ökonomisch, umweltpolitisch noch aus Tierschutzaspekten sinnvoll. Eine tierfreundliche Unterbringung, die zugleich ressourcenschonend (Bodennutzung, Klimagase, Wasser) ist, kann nicht mit einem gesetzlich vorgeschriebenen RAUS-Programm erreicht werden.

     

    Der Gegenvorschlag widerspricht dem in der Botschaft des Bundesrates zur AP 22+ stipulierten Perspektiven-Dreieck Markt – Betrieb – Umwelt. Gemäss diesem sollen mittels Produktionssystembeiträgen vom Bund Anreize gesetzt werden, die Mehrleistungen aber am Markt in Wert gesetzt werden. Die Abgeltung von Mehrleistungen am Markt wie sie heute über Labelprogramme realisiert werden kann, würde wegfallen, wenn die entsprechenden Standards gesetzlich fixiert würden. Die in der AP 22+ festgehaltenen Produktionssystembeiträge sind der umfassendere Ansatz, der auch das Tierwohl einschliesst.

    In Anbetracht des im Januar 2020 von der Bundeseinheit für die Lebensmittelkette (BLK) veröffentlichten Berichtes «Tierschutz und Fleischkontrolle in Schlachtbetrieben» und der bevorstehenden Änderung der Verordnung des Bundesamts für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) über den Tierschutz beim Schlachten (VTSchS), lehnt Proviande das explizite Festschreiben einer schonenden Schlachtung auf Verfassungsstufe ab. Die bestehenden Vorgaben in der Tierschutzgesetzgebung sind im Grundsatz ausreichend und die mittlerweile gemeinsam mit den Behörden eingeleiteten Massnahmen auf Stufe Aus- und Weiterbildung, Selbstkontrolle und vor allem diejenigen zur Gewährleistung von verpflichtenden Kontrollen durch den jeweils zuständigen kantonalen Vollzug für sind für das Erreichen der angestrebten Ziele weitaus effektiver.

    Mit keiner Bemerkung wird in den Vernehmlassungsunterlagen auf die Haltung der Heimtiere eingegangen. Auch hier gilt es die tierfreundliche Unterbringung und den regelmässigen Auslauf umzusetzen. In diesem Bereich gilt aber nach wie vor, wo kein Kläger, da kein Richter.

    Der Bundesrat schreibt:

    «Der direkte Gegenentwurf will in der Verfassung den Grundsatz verankern, dass alle Tiere während ihres Lebens tiergerecht gehalten werden. In diesem Zusammenhang sind namentlich für Nutztiere der regelmässige Auslauf und die tierfreundliche Haltung sowie ein rücksichtsvoller Umgang (Pflege) von zentraler Bedeutung. Sind die Tiere zur Schlachtung bestimmt, soll diese schonend erfolgen. Um das zu bekräftigen, soll der Schutz des Wohlergehens für alle Tiere in die Verfassung aufgenommen werden. Dies ermöglicht, beispielsweise auch für die Wildtierhaltung (Zirkus, Zoo, private Haltung von Reptilien und Amphibien) strengere Vorschriften in der Tierschutzgesetzgebung festzulegen. für die Nutztiere sollen die Elemente «tierfreundliche Unterbringung und Pflege», «regelmässiger Auslauf» sowie «schonende Schlachtung» in der Verfassung verankert werden. Auf die in der Initiative vorgesehene Bezugnahme auf die privatrechtlichen BioSuisse-Richtlinien 2018 in der Verfassung soll dagegen verzichtet werden.»