Um eine Basis für Massnahmen zur Reduktion trächtiger Tiere am Schlachthof zu haben, wurde bei den betroffenen Rindviehhaltern der Hintergrund ermittelt, warum doch trächtige Tiere zur Schlachtung gebracht werden. Die Studie des BLV war sicherlich nicht umfangreich genug oder repräsentativ, um klare Aussagen treffen zu können. Aber Hinweise auf mögliche Ursachen konnten daraus gezogen werden. Es sind dies z.B. unerkannter Natursprung bei jungen Tieren durch mitlaufende Stiere in Rindviehherden, fehlende oder falsch negative Trächtigkeitsdiagnosen oder fehlende Information durch den Vorbesitzer.
Eine Arbeitsgruppe aus Vertretern der Produzenten, des Viehhandels, der Fleischverarbeiter, des Schweizer Tierschutzes und des Bundesamts für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) unter der Leitung von Proviande setzt sich seit 2016 dafür ein, dass mit einer Branchenlösung, welche für die gesamte Wertschöpfungskette akzeptabel ist, die Schlachtung trächtiger Rinder und Kühe auf ein Minimum reduziert werden kann. Mit einer Branchenlösung soll das Problem auf privatrechtlicher Basis gelöst werden können, mit dem Vorteil, dass zeitnah auf Entwicklungen reagiert werden kann, ohne den langwierigen Prozess einer Verordnungs- oder Gesetzesänderung einleiten zu müssen.
Als erste Massnahme wurde 2017 für Tiere der Rindviehgattung die Selbstdeklaration einer Trächtigkeit durch die Produzenten eingeführt. Grundsätzlich ist der Tierhalter aus dem Herkunftsbetrieb dafür verantwortlich, dass er über das Trächtigkeitsstadium seiner Tiere informiert ist. Er muss diese Information an den nächsten Tierhalter weitergeben. Anschliessend sind alle weiteren Beteiligten in der Wertschöpfungskette für die Weitergabe der Information verantwortlich.
Die Selbstdeklaration erfüllt folgende Zwecke:
- Die Produzenten werden in die Verantwortung einbezogen.
- Bei einer allfälligen Weitermast liegt eine Information bezüglich Trächtigkeit vor.
- Trächtige Tiere sind in jeder Stufe vom Geburts- bis zum Schlachtbetrieb erkannt.
Im Zentrum der seit 2017 gültigen Fachinformation steht die Pflicht des Halters. Er muss bei Ungewissheit vor dem Verkauf bei Rindern ab einem Alter von 18 Monaten und bei Kühen, welche vor mehr als fünf Monaten letztmals gekalbt haben, eine Trächtigkeitsuntersuchung durchführen. Das Dokument schreibt zudem vor, dass trächtige Tiere nur Ausnahmesituationen und Notfällen (Unfall, unheilbare Krankheit) geschlachtet werden dürfen. Die Verantwortung der Tierhalter, Transporteure, Händler und Schlachtbetriebe ist definiert. Eine Reihe von Massnahmen sowie Dokumentationsvorschriften beim Verstellen von Tieren sind beschrieben. Die Tierhalter werden damit bei der Wahrnehmung ihrer ethischen Verantwortung zum Wohl und Schutz von Mutter- und Jungtieren unterstützt. In Zusammenarbeit mit dem BLV konnte die aus der Branchenlösung privatrechtlich vorgeschriebene Deklaration der Trächtigkeit/Trächtigkeitsdauer zweckmässig und umfassend umgesetzt werden. Der Trächtigkeitsstatus muss auf dem offiziellen amtlichen Begleitdokument für Klauentiere ausgewiesen werden. Somit muss der Tierhalter die Trächtigkeit seiner Tiere überwachen.
Die Wirkung dieser Branchenlösung wird regelmässig analysiert. Die Daten zur Anzahl von festgestellten Trächtigkeiten in den Schlachtbetrieben werden während einer bestimmten Bemessungsperiode eingefordert und analysiert.
Die Analyse Mitte 2019 zeigte, dass die Branchenlösung in der bisherigen Form nicht genügend zu einer Verbesserung der Situation beigetragen und damit nicht zum gewünschten Erfolg geführt hat. Die Fachinformation wurde deshalb überarbeitet und entsprechend ergänzt. Seit dem 1. Januar 2020 gilt:
- Die Deklaration muss bei Rindern ab einem Alter von 18 Monaten und bei Kühen, die vor mehr als fünf Monaten letztmals gekalbt haben, auf dem Begleitdokument für Klauentiere zwingend angezeigt werden.
- Bei unbegründeten Schlachtungen von trächtigen Kühen und Rindern werden dem Lieferanten pro Tier Fr. 100.- in Abzug gebracht.
- Für Krank- oder Notschlachtungen reicht die Deklaration unter Punkt 5 auf dem Begleitdokument.
Die Sanktionen bei angelieferten trächtigen Tieren in den Schlachthöfen werden auf privatrechtlicher Basis von der Branche selbst verantwortet.
Mit der Einführung der Gebühr zeigte sich in der Analyse im ersten Quartal 2020, dass die Sensibilität bei den Tierhaltern zwar zugenommen hat, jedoch nach wie vor Unsicherheiten bestehen, ab wann eine Deklaration notwendig ist. Für die Begründung von Krankschlachtungen fehlen Richtlinien. Die Frist für die Deklarationspflicht bei den Rindern erweist sich als nicht zufriedenstellend. 60% der zur Schlachtung geführten trächtigen Rinder sind jünger als das festgelegte Mindestalter für die Deklaration von 18 Monaten.
Die Branchenlösung wurde entsprechend überarbeitet.