Vermeidung der Schlachtung trächtiger Rinder und Kühe
Eine Kuh ist 9 Monate trächtig und bekommt üblicherweise jedes Jahr ein Kalb. Das heisst, dass über 50% der Kühe im Laufe eines Jahres in irgendeinem Stadium trächtig sind. Die Schlachtung von trächtigen Rindern und Kühen ist in der Schweiz nicht verboten oder gesetzlich geregelt, ist aber aus ethischen und Tierschutzgründen zu vermeiden. In Deutschland ist die Schlachtung von Rindern und Kühen im letzten Drittel der Trächtigkeit seit 2017 verboten.
Eine Arbeitsgruppe aus Vertretern der Produzenten, des Viehhandels, der Fleischverarbeiter, des Schweizer Tierschutzes und des Bundesamts für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) unter der Leitung von Proviande setzt sich seit 2016 dafür ein, dass mit einer Branchenlösung, welche für die gesamte Wertschöpfungskette akzeptabel ist, die Schlachtung trächtiger Rinder und Kühe auf ein Minimum reduziert werden kann. Mit einer Branchenlösung soll das Problem auf privatrechtlicher Basis gelöst werden können, mit dem Vorteil, dass zeitnah auf Entwicklungen reagiert werden kann, ohne den langwierigen Prozess einer Verordnungs- oder Gesetzesänderung einleiten zu müssen.
In den Bemessungsperioden 2018 – 2023 lag der Anteil festgestellter Trächtigkeiten in den Schlachtbetrieben bei Rindern und Kühen zwischen 1,1% bis 1,3%.
Die Entwicklungen und Resultate werden in der zuständigen Arbeitsgruppe jeweils analysiert und wenn nötig zusätzliche Massnahmen ergriffen, die dazu beitragen sollen, die Situation weiter zu verbessern. Entsprechend wurde die Fachinformation zur Vermeidung der Schlachtung von trächtigen Tieren der Rindviehgattung im Januar 2022 angepasst, um weitere wichtige Akzente zur Sensibilisierung zu setzen.
Gesamthaft wurden in der letzten Bemessungsperiode bei Rindern und Kühen 1,2 % Trächtigkeiten in den Schlachtbetrieben festgestellt, wovon 0,7 % der Tiere auf eine begründete, vom Tierarzt attestierte Schlachtung zurückzuführen sind. Der Anteil festgestellter Trächtigkeiten in der Zeit von Februar 2022 bis Januar 2023 ist nur bedingt mit den Vorperioden vergleichbar, da die Untersuchungen in den Schlachtbetrieben seit Beginn des Jahres 2022 wesentlich eingehender erfolgen. Mit der Untersuchungspraxis bis Ende 2021 wären wohl merklich weniger Trächtigkeiten festgestellt worden.
Grundsatz
Trächtige Tiere sollen nur in nicht vermeidbaren Ausnahmesituationen und Notfällen, z.B. bei nicht heilbaren Krankheiten oder nach Unfällen, geschlachtet werden.
Bei der Vermeidung der Schlachtung von trächtigen Tieren geht es um:
- Den Schutz des Muttertieres: durch Transportstress können Schmerzen und eine Frühgeburt ausgelöst werden.
- Den Schutz des ungeborenen Jungtieres: dieses wird bei der Schlachtung der Mutter nicht automatisch mitgetötet, sondern stirbt aufgrund eines Sauerstoffmangels im Mutterleib respektive an der Schlachtlinie.
- Ethische Gründe: Wahrnehmen der ethischen Verantwortung für das Wohl und den Schutz von Mutter- und Jungtieren.
- Das Image der Landwirtschaft und der damit verbundenen Schweizer Fleischproduktion.
Das Wichtigste in Kürze
Herdenmanagement – Verantwortung der Tierhalter
Die primäre Verantwortung zum Schutz trächtiger Tiere und deren Föten liegt beim Tierhalter. Es gehört zu einem guten Herdenmanagement, dass die Tierhalter über die Trächtigkeit und das Trächtigkeitsstadium aller Tiere, für die sie die Verantwortung tragen, informiert sind. Im Zweifelsfall ist vom Tierarzt eine Trächtigkeitsuntersuchung vorzunehmen.
Deklarationspflicht bei Handänderung
Die Deklarationspflicht gilt bei Rindern ab dem Alter von 15 Monaten und bei Kühen ab 5 Monaten nach dem letzten Abkalbedatum. Die Angabe zur Trächtigkeit muss zwingend mit JA/NEIN auf dem „Begleitdokument für Klauentiere“ aufgeführt werden.
Tierärztliches Attest zur Begründung der Schlachtung trächtiger Tiere
Tiere mit der Deklaration «ja» benötigen ein tierärztliches Attest, welches die Notwendigkeit der Schlachtung begründet. Der tiermedizinisch relevante Grund für die Verbringung zur Schlachtung muss vom Bestandestierarzt schriftlich bestätigt werden. Das Attest ist dem Begleitdokument beizulegen.
Vereinheitlichte Trächtigkeitsuntersuchung in den Schlachtbetrieben
In den Schlachtbetrieben findet bei sichtbar vergrösserten Uteri eine Trächtigkeitsuntersuchung statt. Dazu muss die Gebärmutter nach einem Fötus durch die amtliche Fleischkontrolle oder geschulte Schlachtbetriebsmitarbeitende abgetastet werden. Festgestellte Trächtigkeiten sind zu dokumentieren.
Akzeptanz des Befundes
Die Branche hat sich deutlich für ein verhältnismässiges und pragmatisches Vorgehen bei der Trächtigkeitsuntersuchung in den Schlachtbetrieben ausgesprochen. Das Abtasten bildet die Grundlage des Befunds und ist zu akzeptieren. Über die Grösse des Fötus und die Trächtigkeitsdauer wird keine weitere Diskussion geführt. Im Zweifelsfall gilt die übergeordnete (grosszügige) Fristenregelung und die Tatsache, dass das Tier trächtig war, was es letztendlich zu vermeiden gilt.
Gebühr von Fr. 200.-
Sind Tiere mit der Deklaration «nein» oder fehlender Angabe bei der Schlachtung trotzdem trächtig, wird - sofern die Limiten der Fristenregelung überschritten werden - eine Gebühr von Fr. 200.- in Abzug gebracht. Diese Gebühr entschädigt den Schlachtbetrieb für den zusätzlichen Aufwand.
Für deklarationspflichtige Tiere mit einem Tierarztattest, welches eine Nichtträchtigkeit oder einen medizinischen Grund für die Schlachtung in trächtigem Zustand bestätigt, werden keine Gebühren erhoben.
Meldung von wiederholt unbegründeten Schlachtungen trächtiger Tiere
Bringen Tierhalter wiederholt unbegründet trächtige Tiere zur Schlachtung, können diese zusätzlich ermahnt werden. Die Schlachtauftraggeber können dazu eine Meldung an die Ombudsstelle Tierwohl von Proviande einreichen, welche via Labelorganisationen und via Branchenorganisation Milch (grüner Teppich) eine Überprüfung der Betriebe bezüglich Herdenmanagement veranlassen kann.