Das Jahr 2022 im Überblick

Petit Tender
Das Jahr 2022 stellte die Fleischbranche vor grosse Herausforderungen und verlangte nach ausserordentlichen Massnahmen: Sowohl die Trockenheit im Sommer als auch die Krise im Schweinemarkt im Winter konnten durch gemeinsames und koordiniertes Handeln in der Branche bewältigt werden. Der Fleischverbrauch stagnierte auf dem Niveau der Vorjahre.

Der Fleischmarkt

Die Schweizerinnen und Schweizer geniessen noch immer gerne ein Stück Schweizer Fleisch. Allen Medienberichten und politischen Forderungen zum Trotz blieb der Fleischverbrauch auch 2022 auf dem Niveau der Vorjahre, konkret bei 50,8 kg pro Person. Die inländische Produktion von Schweine- und Geflügelfleisch nahm leicht zu und zur Deckung der Nachfrage musste insbesondere mehr Geflügelfleisch importiert werden als 2021. Der Selbstversorgungsgrad über alle Fleischarten nahm leicht zu und liegt bei gut 82%.

Der Einkauf im Ausland ist und bleibt ein Thema. Nachdem die Einschränkungen durch Corona im Jahr 2022 wegfielen, nahm auch der Einkaufstourismus wieder leicht zu. Dies obwohl bei der im Jahr 2022 im Auftrag von Proviande durchgeführten Befragung 99% der Befragten angaben, dass die Herkunft Schweiz beim Fleischkauf wichtig bis sehr wichtig für sie ist. Immerhin wurde aber gemäss den Zahlen aus dem Privathaushaltpanel (NielsenIQ Switzerland GmbH) deutlich weniger im Ausland eingekauft als noch vor Corona.

Statistische Daten über den Schweizer Schlachtvieh- und Fleischmarkt.

Schweinemarkt

Im Schweinemarkt verschärfte sich gegen Ende 2022 die Situation des Überangebots: Im November sah sich die Branche mit der grössten Schweinekrise konfrontiert, die die Schweiz je erlebt hatte. Der einberufene Krisenstab traf sich wöchentlich für eine Beurteilung der Lage. Dank dem Engagement von Produzenten, Handel, Verarbeitung, Exportorganisationen, europäischen Abnehmern sowie auch unter Mithilfe des Bundes konnten tierschutzrelevante Überbelegungen in den Schweineställen und ein noch drastischerer Rückgang der Schweinepreise weitestgehend verhindert werden. Von November bis Dezember wurde Fleisch von 14’497 Schweinen mit Unterstützung des Bundes eingefroren. Um das grosse Überangebot weiter abbauen zu können, wurde im Dezember 2022 zudem der Export von Schweinehälften in den europäischen Raum aufgenommen. Zur Finanzierung dieser Exporte wurde bei Proviande ein Fonds eingerichtet, welcher aus Beiträgen der Schweinemäster und des Schweinehandels gespiesen wurde.

Rinder und Kühe

Die Schlachtungen innerhalb der Rindviehgattung blieben auf dem Vorjahresniveau und der Kuhbestand ist im Vergleich zum Vorjahr nur minimal gesunken. Die anhaltende Trockenheit im Juli und im August bedeutete jedoch eine Herausforderung für die Rindviehhalter: Futter für die Tiere wurde knapp und in gewissen Regionen mussten die Tiere früher von der Alp abgezogen werden. Diese Mehrauffuhren im August hatten einen Einfluss auf die Schlachtviehpreise. Dank der hohen Nachfrage erholte sich der Preis jedoch rasch wieder.

Kälbermarkt

Der Bankkälbermarkt verlief so ruhig wie noch nie. Die schon fast obligate Marktentlastungsmassnahme der vergangenen Jahre war 2022 nicht notwendig, im Gegenteil: Die Nachfrage war im ganzen Jahr hoch. Gerade in der Gastronomie war das Kalbfleisch gesucht.

Aus den Projekten

Vision und Mission

«Schweizer Fleisch geniesst eine hohe Wertschätzung und Anerkennung.» (Vision)
«Proviande ist Impulsgeberin, Botschafterin, Vermittlerin und Dienstleisterin.» (Mission)


2022 stand Proviande in mehreren Anliegen als Vermittlerin zur Verfügung. Die Diskussionen bei Massnahmen zur Verbesserung des Tierwohls, aber auch zur nachhaltigen Entwicklung der Fleischwirtschaft gewinnen immer mehr an Bedeutung und fordern die Branche, gemeinsame Lösungen zu finden.

Als Botschafterin macht sie es sich zur Aufgabe, die Klimadiskussion mit Fakten zu untermauern und den Stellenwert von Fleisch in einer ausgewogenen und abwechslungsreichen Ernährung zu bekräftigen. Dies nicht nur gegenüber der Öffentlichkeit und den Medien, sondern immer häufiger auch gegenüber Behörden und Politikern.

Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit

Der Schwerpunkt der Öffentlichkeitsarbeit im Jahr 2022 lag auf der Kampagne gegen die Massentierhaltungsinitiative. Zudem zeigen zahlreiche politische Geschäfte auf nationaler, kantonaler und kommunaler Stufe, dass Fleisch generell, aber insbesondere auch die Absatzförderung für «Schweizer Fleisch» zunehmend kritisch betrachtet werden. Da die Informationen rund um die Vorzüge von Schweizer Fleisch jedoch zentral sind für die hier ansässige, produzierende Fleischwirtschaft, hat Proviande per Ende 2022 eine Neuorganisation der Abteilung Kommunikation vorgenommen.

Es gilt, die Anstrengungen der Nutztierhalter, des Viehhandels und der Schlachtbetriebe zu kommunizieren und am Verkaufspunkt die verdiente Wertschätzung zu erzielen. Die Schweiz bietet beste Voraussetzungen für nachhaltig produzierte tierische Nahrungsmittel. Diese haben jedoch ihren Preis. Deshalb müssen Konsumenten, Gastronomen, Hauswirtschaftsleute, Journalisten, aber auch Politiker die Vorzüge und Mehrwerte von Fleisch aus Schweizer Produktion kennen und sollen trotz des höheren Preises einheimisches Fleisch bevorzugen und sich nicht mit günstigen Produkten aus dem Ausland eindecken. Dieser Kommunikation will Proviande deshalb mehr Gewicht geben.

Marktumfeld

Proviande bezieht Position

Die Fleischwirtschaft insgesamt und Proviande als Branchenorganisation der Schweizer Fleischwirtschaft standen auch 2022 im Fokus der Politik und der öffentlichen Diskussion. Mit der Politarbeit werden in Allianzen mit weiteren Organisationen der Land- und Ernährungswirtschaft oder als Sprachrohr der Fleischbranche die politischen Parteien und Entscheidungsträger über die Positionierung der Fleischwirtschaft aufgeklärt. So beteiligte sich Proviande an der Abstimmungskampagne gegen die Massentierhaltungsinitiative.

Zusammenarbeit mit den Bundesämtern

Mit der Teilnahme in der Begleitgruppe der von BLV, BLW und BAFU in Auftrag gegebenen Erarbeitung eines Massnahmenkatalogs zur Transformation des Landwirtschafts- und Ernährungssystems in der Schweiz bekräftigte Proviande ihr Interesse, mitzuhelfen, die Klimaziele 2050 zu erreichen. Die Klimastrategie Landwirtschaft und Ernährung 2050 wurde im November 2022 in Konsultation gegeben. Proviande erarbeitete eine Stellungnahme zu den vorgeschlagenen Massnahmen. 

Auch mit der Mitunterzeichnung der Vereinbarung zur Bekämpfung von Food Waste des BAFU bekräftigt die Fleischwirtschaft ihre Absicht, sich aktiv an den Bemühungen zur Schonung der Ressourcen zu beteiligen.

Proviande nahm im Geschäftsjahr 2022 Stellung zum alljährlichen landwirtschaftlichen Verordnungspaket, zur Änderung der Tierseuchenverordnung und zu den Änderungen in der Verordnung über die Verwendung von schweizerischen Herkunftsangaben für Lebensmittel. In der Konsultation zu den Verordnungen zur Gasmangellage schloss sich Proviande der Stellungnahme des SFF an und wies speziell darauf hin, dass Betriebe in der Lebensmittelverarbeitung, so auch die Fleischverarbeitung, für die Versorgungssicherheit auch in einer Energiemangellage systemrelevant sind. Auch die Betriebe der Nahrungsmittelversorgung sollten deshalb von der Kontingentierung ausgenommen werden. Dies war in den unterbreiteten Entwürfen nicht vorgesehen.

Aus der Politik

Dass Fleisch weiterhin ein zentrales Thema und Grundlage für zahlreiche politische Geschäfte auf kommunaler, kantonaler und nationaler Ebene bleiben wird, ist sicher. Als Präsident der Branchenorganisation Proviande ist Dr. Markus Zemp eine zentrale Persönlichkeit, wenn es darum geht, den Interessen der Schweizer Fleischwirtschaft politisches Gewicht zu verleihen. Als alt Nationalrat und aktueller Präsident der beratenden Kommission Landwirtschaft des Bundesrates verfügt er nicht nur über ein sehr grosses und wertvolles Netzwerk, sondern er kennt auch die Politik der Schweiz aus einer wichtigen Perspektive: von innen.

Kein Fleisch zu essen, scheint im Trend zu sein: Trotzdem beläuft sich die Zahl der Veganer und Veganerinnen im Jahr 2022 auf nicht einmal 1%. Die mediale Berichterstattung und die Bestrebungen des Bundes liessen anderes vermuten und stellen die Fleischbranche damit vor grosse Herausforderungen. Welches sind die Trends, die die Fleischbranche beschäftigen, und welche Erkenntnisse können wir davon mitnehmen, dass eine Minderheit einen so grossen Einfluss auf Politik und Verwaltung nehmen kann? Die Politik wirft viele Fragen auf, die die Branche in den nächsten Jahren beschäftigen werden. Als Präsident von Proviande wagt Dr. Markus Zemp einen Ausblick auf die politische Zukunft der Fleischbranche.

Kurzinterview mit Dr. Markus Zemp

Sehr geehrter Herr Zemp, Sie kennen die parlamentarischen Gepflogenheiten aus Ihrer persönlichen Erfahrung: Hat sich der Umgang in der Politik in den letzten Jahren verändert?

Ja, das Umfeld hat sich verändert. Es gibt immer mehr Gruppierungen aus dem Bereich Klima, Umwelt- und Tierschutz. Diese sind international vernetzt und nehmen via Soziale Medien, Petitionen, Lobbying etc. starken Einfluss auf die Medienberichterstattung, die Schulen, die Verwaltung und das Parlament. So wird es schwieriger, pragmatische Lösungen zu finden. Die Polarisierung nimmt zu.

Markus Zemp

Die Fleischbranche steht zunehmend unter Druck von Gesellschaft, Politik und Medien: Woran liegt es, dass das Thema Fleisch immer stärker in den Fokus rückt?

Mit der Ernährungs- und Klimastrategie des Bundesrates wird der aktuelle Fleischkonsum kritisiert. Ich habe manchmal das Gefühl, dass Fleisch an allem Schlechten der Welt schuld sein soll. Dabei wird meist ausgeblendet, dass die Schweizer Fleischproduktion deutlich nachhaltiger ist als in den meisten anderen Ländern. Die Rindviehproduktion (Milch und Fleisch) ist im Grünlandgebiet alternativlos.

Welche Massnahmen sehen Sie, die die Fleischbranche dringend umsetzen müsste?

Wir müssen mit Fakten unsere Fleischwirtschaft ins richtige Licht stellen. Proviande verstärkt die Aktivitäten zum Ausbau der Wissensplattform rund um das Fleisch. Zudem bauen wir für die ganze Wertschöpfungskette eine Nachhaltigkeitsstrategie auf. 

Auch die Absatzförderung wird in zahlreichen Vorstössen im Parlament immer wieder kritisiert: Wie stehen Sie zur Absatzförderung und zu deren Zukunft?

Sie ist ein zentrales Element für die Kommunikation: Schweizer Fleisch wird nachhaltig und tierfreundlich produziert, das kommunizieren wir mit dem Slogan «der feine Unterschied». In der Frühjahressession 2023 des Nationalrates wurde diese Absatzförderung recht deutlich unterstützt. Damit hat das Parlament einmal mehr bestätigt, dass die Absatzförderung für die Schweizer Landwirtschaft bedeutend und sinnvoll ist.

Was glauben Sie, sind die grössten Herausforderungen der nächsten Jahre für die Fleischbranche?

Mit der AP 2030 will der Bundesrat die Konsumenten in die Pflicht nehmen. Derzeit ist die Verwaltung daran, dazu Vorschläge zu erarbeiten. Die bisherigen Entwürfe zeigen die Richtung an: Der Fleischkonsum soll deutlich reduziert werden. Spannend wird sein, welche Instrumente dazu vorgeschlagen werden. Lenkungsabgaben oder Steuerung des Konsums sind zum Beispiel im Gespräch. Für uns ist es elementar, dass die Wahlfreiheit der Konsumenten gewahrt bleibt. Der Markt soll entscheiden, wie viel Fleisch gegessen wird.

Was sich schon länger abzeichnet, ist eine Verschiebung des Konsummusters: weniger Schweinefleisch, mehr Geflügel. Es wird vor allem für die Schweinebranche eine grosse Herausforderung sein, die Bestände im nötigen Tempo, entsprechend dem Markt, anzupassen.

Schliesslich essen nach wie vor 94% der Konsumenten Fleisch. Diesen müssen wir ein gutes Gefühl geben. Die Fakten und Argumente dazu haben wir.